„Das Potenzial für den weltweiten Computer-Markt liegt bei etwa fünf Stück“, sagte Thomas Watson 1943, damals Chef von IBM. Ein Computer war so gross wie ein Zimmer und nur Universitäten konnten sich einen solchen leisten. Wie hätte Watson ahnen können, dass sich heute ein Vielfaches an Rechenleistung in winzigen und günstigen Mikrochips wiederfindet und fast jeder von uns einen kleinen Computer in der Hosentasche mit sich führt.
In den vergangenen Jahrzehnten lagen Technologie-Manager aus aller Welt mit ihren Prognosen reihenweise falsch. Berkeley-Professor Philip Tetlock liess über einen Zeitraum von zehn Jahren über 82000 Vorhersagen auswerten. Das Resultat: Irren ist menschlich.
Fortschritt wird exponentiell schneller
Unser Hirn ist offenbar wesentlich stärker beim Verarbeiten von vorhandenen Informationen, als in der Disziplin der Prognose. Rolf Dobelli, Autor von «Die Kunst des klaren Denkens» erklärt, wir Menschen hätten kein Gefühl für exponentielle Entwicklungen, also solche, die nicht konstant sind, sondern immer schneller werden. Das birgt Gefahren. Wenn der technologische Fortschritt immer schneller wird, riskieren wir ständig, den Anschluss zu verpassen.
Der erste nationale Digitaltag von dieser Woche versuchte diesem Umstand Rechnung zu tragen. Die Schweiz soll im globalen Wettbewerb ein führender Innovationstreiber sein, so das Ziel der Initianten. Zahlreiche Grossunternehmen und Bundespräsidentin Doris Leuthard richteten das Scheinwerferlicht auf Robotik, virtuelle Realität und Algorithmen. Die gut gemachten und gut gemeinten Präsentationen der teilnehmenden Firmen wirkten indes wie ein buntes Schaufenster eines noch leeren Geschäfts. Denn während wir mit den neuen Gadgets schnell umzugehen lernen, liegen grosse gesellschaftliche und politische Fragen brach. Was brauchen wir für ein Bildungssystem, um Kinder auf die Chancen und Gefahren der digitalen Welt und die damit verbundenen neuen Berufe vorzubereiten? Wer schützt unsere Daten? Wie besteuern wir Arbeit, die von Robotern erledigt wird? Was tun wir, wenn es für uns Menschen immer weniger Arbeit gibt? Wie intelligent darf künstliche Intelligenz werden? Angesichts der rasenden Geschwindigkeit der digitalen Entwicklung sollten wir diesen Fragen rasch mehr Gewicht beimessen.
„Kids“ lassen die Revolution spielerisch aussehen.
Wie einst Thomas Watson drohen auch wir den Wandel in seiner Radikalität zu unterschätzen. Das mag daran liegen, dass diese vierte industrielle Revolution von jungen erfinderischen «Kids» angetrieben wird und nicht von besonnenen Erwachsenen. Diese Generation streitet sich auch nicht um die Kontrolle alter Institutionen, sie schafft schlicht neue. Gleichzeitig basiert unsere Gesellschaftsordnung noch immer auf den Errungenschaften der industriellen Revolution. Ein Lebensentwurf mit ausgiebiger Schulbildung, einer berufsorientierten Spezialisierung und einer lebenslangen Beschäftigung. Jetzt rüttelt die Digitalisierung an diesem Selbstverständnis. Noch haben es nicht alle gemerkt. Thomas Watson – Ausgabe 2017 – würde jetzt sagen: «Roboter werden uns Menschen nie überlegen sein».
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